Es gibt eine Sache, von der ich mir wünschte, dass es sie schon gegeben hätte, als ich 13 war: TikTok.
Wenn die Schülerinnen meiner sechsten Klasse vor ihren Tischen stehen und auf unser Begrüßungsritual warten, können sie gar nicht anders, als die kleinen, wellenförmigen Bewegungen aus ihren Körpern heraus zu tanzen, immer wieder die gleichen Abläufe und so praktisch, kompakt durchgetanzt, dass man es überall da machen kann, wo man gerade einfach nur rumsteht oder -sitzt. Zum Beispiel in meinem Unterricht. Oder an der Bushaltestelle. Mit 13 habe ich mir da heimlich Zigaretten angezündet, um mir die Zeit zu vertreiben. Heute scrolle ich mich wartend durch Instagram und ich weiß nicht, ob das wirklich die gesündere Alternative ist.
Meine Schüler:innen machen es besser. Sie tanzen.
Ich habe mich jetzt schon mehrmals dabei ertappt, dass auch ich mich irgendwie TikTok-mäßig bewegen will, wenn mir langweilig ist. Ich bewundere - nein ich beneide – dann die Mädels und eigentlich müsste ich ihnen sagen, dass sie aufhören sollen, mit dem Gezappel und dass mein Unterricht viel wichtiger sei.
Aber ich kann mich einfach nicht dazu durchringen, ihre TikTok – Leidenschaft lächerlich zu finden.
Manchmal befürchte ich, dass es unprofessionell sein könnte, wenn man die Hobbies der Schüler:innen gerne seine eigenen nennen würde. Ich kenne das Lehrer-Schüler-Verhältnis aus meinen Teenie-Jahren nur so: Ich mache was, die Lehrer:innen finden es entweder uninteressant, oder nutzlos, oder unnormal oder gefährlich. Oder „asozial“. Was auch immer das bedeutet. Eigentlich ist DAS die Schulordnung. Nämlich, dass Lehrer:innen einfach komplett anders ticken als ihre Schüler:innen.
Nun ist TikTok nur ein Beispiel, an dem ich merke, dass ich wirklich far away davon bin, so ‚ganz‘ anders zu sein, als meine 14-Jährigen Schützlinge, die Freundschaften ausleben, Nächte durchzocken, im Partnerlook kommen, stundenlang im Rossmann abhängen, WhatsApp lieben und eben TikTok.
So inhaltsleer diese Art von Dingen meinen eigenen Lehrer:innen damals erschienen, so sehr waren sie aber auch mein Leben. Wie schön war es, einfach genau diese Sachen zu tun, sie zu fühlen und sich nicht – wie heute – ständig zu fragen: wofür? Die eigentliche Frage ist doch: Wofür nicht? Warum sollte man kein Verständnis für die Lebensgestaltung, die Interessen und Vorlieben von den Menschen haben, mit denen man täglich zusammen ist, die man fördern und bestärken will?
Ich würde also sagen, ich pflege ein freundschaftliches Verhältnis zu meinen Schüler:innen. Denn die Dinge, die meine Freund:innen tun, finde ich auch häufig ziemlich interessant, manchmal sonderbar. Ich bewundere sie, und ich kann mir bei manchen Dingen nicht vorstellen, etwas so intensiv wie sie zu tun. Ich mache Sachen anders. Und ich frage nach, wie das, was sie tun, funktioniert.
Es scheint also doch zu funktionieren: Freund:in und Lehrer:in sein. Zumindest was die Augenhöhe und das Verständnis füreinander betrifft. Professionalität misst sich an anderen Dingen.
Und wenn mich irgendwann mal eine Schülerin fragen sollte, ob ich mittanzen will: Boomer will be ready!
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