Ab und zu stehe ich nicht vor der Klasse, sondern schaue von hinten zu, wie die BerufsberaterInnen bunte Zettel an die Tafel kleben, auf denen die Berufe stehen, die anscheinend für die SchülerInnen meiner Klasse passend erscheinen.
Die geduldigen BerufsberaterInnen stellen sich mit ihrer nahbaren Art unendlich vielen Fragen der SchülerInnen und sparen das Thema Abitur gänzlich aus. Das ist verständlich, denn dafür gibt es den Tag der Oberstufe. Nur stellt dort keiner Fragen.
Dilara meldet sich, nachdem Frau K. den Zettel MTA an die Tafel gehängt hat.
„MTA ist sowas wie Arzt, oder?“
„Nein“, setzt Frau K. an und wird von Ahmed unterbrochen.
„Was für?!! MTA ist Apotheke oder so.“
„Nein, das ist PTA“, Frau K zieht den PTA Zettel hervor.
„Ah egal, egal!“ ruft Dilara. "Ich wollt‘ eigentlich nur wissen: Braucht man Abi zum Arztwerden?“
Frau K. hat diese Frage schon hundert Mal gehört. Sie bejaht. „Und mindestens fünf Jahre Studium“, hängt sie noch an.
„Wallah, dann nicht“, Dilara winkt ab.
Dann nicht.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem meiner Lehrer auf der Realschule. Ich ging damals in die achte Klasse und hatte mir überlegt, Grundschullehrerin werden zu wollen.
Also sprach ich ihn an: „Ich weiß jetzt was ich werden will!“ „Was willst du werden?“, er schien wirklich interessiert.
„Grundschullehrerin!“, ich strahlte ihn an.
„Grundschullehrerin?“, er, der Realschullehrer, schien fassungslos. „Da musst du ja studieren und vorher Abitur machen!“, er zog die Augenbrauen hoch.
Mein Lächeln verschwand: „Oha, das wusste ich nicht!“
Der Lehrer warnte mich mit großen Augen:
„Ja klar, da fängst du an Geld zu verdienen, wenn deine Mitschüler schon ein eigenes Haus haben. Und das Abitur ist schwer, das kann man nicht einfach so machen.“, er lächelte.
„Okay, dann nicht!“, lachte ich über meine eigene Naivität und ich weiß noch, wie ein kurzes Zucken der Enttäuschung durch mich fuhr und der Gedanke an meinen Berufswunsch trotzdem in Sekundenschnelle ausgelöscht wurde.
Dann nicht. So einfach.